Vier-Augen-Prinzip erhöht die Sicherheit am Bau

13.01.2022

Kolumne von Dr. Markus Hennecke,
Vizepräsident der BVPI, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau
veröffentlicht in der Bayerischen Staatszeitung vom 17.12.2021
(Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Bayerischen Staatszeitung BST)

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Redewendungen sind keineswegs immer passend. Es war sicher eher Gold, als sich Herr  Schubert-Raab, Präsident des Landesverbands Bayerischer Bauinnungen, Dr.-Ing. André Müller, Landesvorsitzender des Verbandes der Beratenden Ingenieure, und Dr.-Ing. Markus Staller, Vorsitzender der Vereinigung der Prüfingenieure für Baustatik in Bayern,
am 30. Juni 2021 in der Geschäftsstelle der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau zu einem Gespräch verabredeten. Warum ist darüber zu berichten?

Eine Laus, die regelmäßig den am Bau Beteiligten über die Leber läuft, ist die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern der vertretenen Verbände. Prüfingenieure und Prüfsachverständige werden kritisch gesehen, weil ihre Tätigkeit als behindernd wahrgenommen wird. Das liegt vielleicht daran, dass der materielle Beitrag zum Bauwerk aus der Außenansicht gering erscheint.

Bauen ist ein eng getaktetes Geschäft. Nicht nur, dass die Abläufe unter dem Druck der Wirtschaftlichkeit sowie die Verfügbarkeit von Mensch und Material stehen, sondern am Ende Nutzer warten, die angesichts der Finanzierung ein termingerecht erstelltes Bauwerk ersehnen. Dazu kommt die Besonderheit der Baubranche, dass während der Ausführung noch fleißig geplant wird, weil mit dem Bau schnell begonnen werden soll. In dieser Gemengelage treffen zahlreiche Parteien zusammen. Einig im Ziel, das Projekt zügig in der geforderten Qualität zu vollenden, haben sie trotzdem ihre spezifischen Pflichten mit der gebotenen Sorgfalt zu besorgen. Daraus ergeben sich konträre Standpunkte - nicht aus persönlichen Motiven, sondern aus einem professionellen
Verständnis. Es ist die Stärke unseres Gesellschaftssystems, dass Interessen im Diskurs stehen und nicht gleichgeschaltet sind. Wenn diese partnerschaftlich und wertschätzend verhandelt werden, entsteht etwas Gutes.

Prüfingenieur und Prüfsachverständige für Standsicherheit und Brandschutz stehen im Dienst des Staates. Sie unterstützen die Bauaufsichtsbehörden in ihrer hoheitlichen Aufgabe der Gefahrenabwehr. Es geht um die öffentliche Sicherheit des Bürgers in und mit Bauwerken, Gebäuden und Konstruktionen der Infrastruktur, wie der Verfassungsrechtler Professor Di Fabio in seinem
Rechtsgutachten für den Bundesverband der Prüfingenieure ausführt. Die innere Sicherheit ist ein hohes Gut. Sie schützt nicht nur Leib und Leben der Bürger, sondern ist das Fundament für wirtschaftliche Prosperität. Aus schmerzlichen Erfahrungen mit schweren Unglücken mit Bauwerken wird die Notwendigkeit des unabhängigen Vier-Augen-Prinzips inzwischen auch in Ländern gesehen, die die Deregulierung zum Dogma erhoben haben. Sie kommen nach Deutschland, um zu fragen, wie unser System funktioniert.

Was zeichnet unser System aus? Die Bauaufsichtsbehörden bedienen sich privater Unternehmer, denen der Staat die Zulassung für diese Aufgabe ausgesprochen hat. Sie sind unabhängig. Das Besondere ist aber, dass Prüfingenieur und Prüfsachverständiger nicht nur prüfen, sondern auch planend tätig sind. Damit stehen sie mit beiden Beinen in der Praxis. Für die Zulassung zum Prüfingenieur sind sowohl theoretisches Wissen vor einer hochkarätigen staatlichen Kommission nachzuweisen als auch praktische Erfahrung mit mindestens 10-jähriger Berufserfahrung, die eigenverantwortliche technische Bearbeitung anspruchsvoller Bauwerke und die Überwachung der
Bauausführung.

In ihrer Arbeit haben Prüfingenieure nicht zu richten, sondern die Richtigkeit und Vollständigkeit der bautechnischen Nachweise sowie die korrekte Ausführung zu testieren. Das Testat bildet die Grundlage dafür, dass die Bauaufsichtsbehörden die Nutzung freigeben, weil sie davon ausgehen können, dass die Standsicherheit des Gebäudes gegeben ist.

In Bauprojekten müssen sich alle Parteien verpflichtet fühlen, die Belange aller Beteiligten zu respektieren und tragbare Lösungen zu erarbeiten. Der Vorstand der Bayerische Ingenieurekammer-Bau hat sich als Ziel gesetzt, das partnerschaftliche Miteinander am Bau zu fördern.

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